M120 485
Turmwagen (806 485-9)
Über der Baureihe M 120.4
In 1920er Jahren erschienen auf tschechoslowakischen Gleisen erste Dieseltriebwagen. Weil zwei Führerstände in kleinem Wagen zu viel Raum beanspruchten, kam die Nesselsdorfer Wagenbau-Fabriks-Gesellschaft (Kopřivnická vozovka) mit einer Lösung - Turmführerstand. Der befindet sich in einem Turm auf dem Dach des Wagens.
Die ČSD bestellten 1930 zwei Prototypen solches Triebwagens M120.4. Ein Jahr später fing die serienmäßige Herstellung an und während fünf Jahre wurden insgesamt 89 Triebwagen gebaut. Sie waren jedoch nicht die einzige Wagen mit Turmführerstand. Die Wagenbau Kopřivnice erzeugte zwischen 1928 und 1946 insgesamt 221 "Turmwagen". Nur ein wenig Stücke wurden bis heute erhalten.
Die Triebwagen hatten mechanische Kraftübertragung. Unter der Treppe in den Turm war ein sechszylindrischer wassergekühlter Benzinmotor TATRA und eine Viergang-Schaltgetriebe Mylius gelegt. Die Fahrtrichtungwechsel wurde durch Reversation ausgeführt - ein Lokführer musste den Motor ausmachen und dann ihn wieder in entgegengesetzter Drehrichtung starten.
Den Einstiegsraum in der Mitte des Wagens betritt man durch eine Schiebetür. In vorderem und hinterem Teil des Wagens sind Fahrgasträume. In vorderem Raum befindet sich auch eine Toilette. Eine Merkwürdigkeit ist das Rohrtelefon, das zwischen dem Führerstand und der Einsteigstür eingeführt wurde. Es erleichterte Kommunikation zwischen dem Lokführer und dem Schaffner, bzw. anderem Personal (z.B. Rangierer).
Die "Turmwagen" hielten im Betrieb 28 Jahre aus. Sie waren auf der ganzen Eisenbahnnetz der ČSD im Einsatz. Nach dem 2. Weltkrieg hatten sie einen großen Anteil an Wiederinbetriebnahme der tschechoslowakischen Lokalbahnen. Seit Ende 40er Jahre wurden sie durch moderneren Triebwagen "Hurvínek" M131.1 ersetzt. Letzter "Turmwagen" wurde 1958 ausgemustert.
Die Turmführerstand-Triebwagen von verschiedenen Baureihen erschienen auch in unserer Gegend. Der Triebwagen M120.302 war ab 1933 auf der Strecke Křimov - Reitzenhain im Einsatz. Andere traditionelle Wirkungsstätte dieser Triebwagen aus Kopřivnice waren die Lokalbahnen unter dem Duppauer Gebirge (zwischen Kadaň, Podbořany und Doupov).
Geschichte des Triebwagens M120.485
Ein der letzten hergestellten "Turmwagen", M120.485, wurde in Nesselsdorfer Wagenbau-Fabriks-Gesellschaft im Jahr 1935 gebaut. Die Tschechoslowakische Staatsbahnen bezahlten dafür 275 340 Kčs.
Leider existieren nicht viele Quellen, woraus wir erfahren könnten, wo unser "Turmwagen" im Einsatz war. In 50er Jahren diente er in Ostböhmen, unter anderem auf der Lokalbahn Častolovice - Solnice. Im Jahr 1953 wurde er in Doudleby nad Orlicí fotografiert.
Nach seiner Ausmusterung verkehrte er bis Ende 80er Jahren in Třebušice (nah Most). Jedoch nur als Werkstattswagen (und fuhr nicht mehr aus eigener Kraft). Auf dem Dach hatte er statt des Führerstands eine Montageplattform für Oberleitungreparaturen.
Aus Třebušice erwarb den Triebwagen ein Eisenbahnverein und am 25. Juni 1990 wurde er nach Česká Lípa befördert. Der geistige Vater der Idee und der Rettung dieses einzigartigen Triebwagens war Herr Eduard Domalíp, unter anderem ein toller Eisenbahnmodellbauer. In Nordböhmen fing die Reparatur an und der Verein setzte den Triebwagen in solchen Zustand, dass er wieder aus eigener Kraft fahren kann. Der ursprüngliche luftgekühlter Benzinmotor wurde durch einen Dieselmotor aus einem Kraftfahrzeug Praga S5T ersetzt. Im Jahr 1998 kaufte den Wagen die Gesellschaft LOKO-MOTIV und besitzt ihn bis heute.
Der Triebwagen M120.485 ist unser zweitwertvollstes Exponat, gleich nach der Dampflok 414.407. Er ist ein der zwei erhaltenen Wagen dieser Baureihe. Der zweite ist M120.417, der dem Nationalen Technikmuseum gehört und ist in Bahnbetriebswerk Šumperk deponiert. Unser "Turmwagen" ist der einzige erhaltene Vertreter der letzten Serie, die sich von den früher hergestellten Wagen gelinde unterschiedet. Auf den ersten Blick ist rechteckiger Rahmen statt eines achtseitiges, oder abgerundeter Kasten ersichtlich.
Gegenwärtiger Zustand
Weil der Triebwagen in schlechtem Zustand war und der Innenraum ganz zerstört war, der Weg zu seiner Wiederinbetriebnahme ist sehr anspruchsvoll, aber auch aufwendig.
Derzeit ist der "Turmwagen" selbstständig bewegungsfähig. Das Dach wurde repariert und der Führerstand wurde mit neuem Blech bedeckt. Weitere anspruchsvolle Phasen der Wiederinbetriebnahme stehen noch vor uns. Es ist notwendig, die Karosserie zu reparieren und neues Interieur zu bauen. Eine Motorwechsel ist auch geplant - den luftgekühlten Motor durch einen wassergekühlten zu ersetzen. Dann wird ein Zulassungsprozess bei dem Bahnamt folgen.