414 407
Pulvermühle (kkStB 175.07)
Über der Baureihe 414.4
Die Dampfloks der Baureihe 414.4 wurden aus der Baureihe 414.3 entwickelt, die bei der Staats-Eisenbahn-Gesellschaft als Vn gekennzeichnet wurde. Die neue Maschinen brachten eine Reihe von Verbesserungen, deshalb hielten sie 74 Jahre im Betrieb aus. Sie erlebten die Zeit von Kaiser Franz Joseph I. bis Präsidenten Antonín Novotný (in Deutschland kann man sagen die Zeit von Kaiser Wilhelm II. bis Bundeskanzler Ludwig Erhard). Zwei von ihnen sind bis heute erhalten.
Die wesentlichste Veränderung gegenüber der ursprünglichen Maschinen war im Kessel. Die Rostfläche verkleinerte sich, die Heizfläche des Kessels sich im Gegenteil vergrößte. Der Dampfdruck war neu 12 Bars. Ein Nachteil war eine niedrige Höchstgeschwindigkeit - nur 35 km/h.
Alle 19 Stücke wurden in der StEG-Lokomotivfabrik in Wien zwischen 1894 und 1900 hergestellt. Sie wurden nach Bahnbetriebswerk Veselí nad Moravou geliefert, aber bald verschoben sie sich nach Meziměstí. Sie konnten nämlich die minderwertige Pulverkohle aus Trutnov gut verbrennen. Daraus kommt ihre Spitzname "Pulvermühle" (Prachárna). In Ostböhmen erlebten sie den 1. Weltkrieg und die Entstehung der Tschechoslowakischen Republik. Die ČSD ließen die Loks in Meziměstí und rüsteten sie mit Druckluftbremse aus. Vor dem 2. Weltkrieg wurde die Mehrheit der Loks nach anderen ostböhmischen Bahnbetriebswerken evakuiert, weil Meziměstí außerhalb des Gebiets von Protektorat Böhmen und Mähren lag und an Nazideutschland angeschlossen wurde.
Kurz vor 1938 hörten die Loks auf, für Streckendienst zu dienen, und wurden für Rangieren benutzt. Erst nach 1945 fingen die ČSD an, die Loks auszumustern. Die letzte "Pulvermühle" im Betrieb war die 414.404, die heute ein nicht betriebsfähiges Exponat des Nationalen Technikmuseums ist. Sie rangierte in Hradec Králové bis zum Januar 1968.
Geschichte der Dampflok 414.407
Die Dampflokomotive 414.407 wurde 1896 in Wien hergestellt. Die Staats-Eisenbahn-Gesellschaft (StEG) teilte sie ins Heizhaus Veselí nad Moravou zu, gleich wie andere Vertreterinnen dieser Baureihe. Ein Jahr verkehrte sie unter der Kennzeichnung Vg 1263. Im Jahr 1897 fing die StEG an, ein neues Kennzeichnungssystem ihrer Maschinen zu benutzen, und diese Lok bekam eine Tafel mit Nummer 4407.
In der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts wurde die Lok ins Heizhaus Meziměstí versetzt. Sie war auf der Strecke nach Choceň an der Spitze Güterzüge zu sehen. In Meziměstí hielte sie auch nach der Verstaatlichung der Staats-Eisenbahn-Gesellschaft im Juli 1909 aus. Ihr neuer Besitzer war die Staatsunternehmen kkStB. Die Kaiserlich-königliche Staatsbahnen teilte ihr die Kennzeichnung 175.07 zu.
In Ostböhmen wartete die Lok den 1. Weltkrieg ab, nach dem Krieg und der Entstehung der Tschechoslowakischen Republik übernahmen sie die ČSD. Fünf Jahre verkehrte sie noch unter österreichischer Kennzeichnung 175.07. Im September 1923 wechselten die ČSD ofiziell zur Lokkennzeichnungssystem von Ing. Kryšpín über, also bekam unsere Maschine die Nummer 414.407, die sie bis heute trägt - schon fast 100 Jahre.
Die Maschine schleppte Güterzüge in Meziměstí bis zum 1938. Weil hiesiges Bahnbetriebswerk sich in einem Gebiet befand, das nach dem Münchner Abkommen an Nazideutschland angeschloßen wurde, wurden die meisten Loks 414.4 im Jahr 1938 aus Meziměstí nach Inland evakuiert. Die 414.407 blieb wahrscheinlich irgendwo in Ostböhmen, möglicherweise schon damals wurde ihr neues Zuhause das Bahnbetriebswerk Hradec Králové. Am 14. 3. 1939 wurde die Lok an Böhmisch-Mährische Bahn (BMB/ČMD) übergeben, also an die Gesellschaft, die Eisenbahnverkehr in Protektorat Böhmen und Mähren statt der ČSD besorgte. Seit 1945 verkehrte sie wieder unter den Tschechoslowakischen Staatsbahnen.
Nach dem Krieg kam sie nach Meziměstí nicht mehr zurück. Wahrscheinlich diente sie als eine Bahnhofsreserve in Hradec Králové, also rangierte sie innerhalb des Bahnhofs und nur ab und zu schleppte sie einen Zug auf einer Bahnstrecke. Die Lok wurde am 30. März 1965 nach ehrwürdigen 69 Jahren Dienst ausgemustert.
Die Maschine hatte Glück und nach ihrer Ausmusterung wurde nicht verschrottet. Die Tschechoslowakische Staatsbahnen verkauften sie dem Betrieb Prefa nach Kralupy u Chomutova. Dort diente sie als ein Heizkessel - sie beheizte die Werkräume und schmolz den Asphalt. Das fragliche Dorf findet man auf der Karte nicht mehr. Dort, wo es bis 1970er Jahre stand, befindet sich heutzutage der Braunkohletagebau Nástup.
Die Lok dann stand am alten Bahnhof in Prunéřov. Am Ende 70er Jahre wurde sie nach Chomutov befördert, dort sollte sie renoviert sein und ein Denkmal werden. Dieses Vorhaben des ehemaligen Sozialistischen Jugend-Verband wurde jedoch nie realisiert. Es gab sogar einen österreichischen Interessent, der die Lok im Austauch gegen Computers abkaufen wollte. Der wurde zum Glück abgelehnt.
Während einer Feier in Chomutov im Jahr 1981 dienten die Roste aus dem Kessel der Pulvermühle 414.407 für die Lok 422.025 "Erzherzog Karl" (Arcivévoda Karel) des Nationalen Technikmuseums, denn diese Lok wurde nach Chomutov mit durchgebrannten Rosten herangezogen.
Die Lokomotive 414.407 verfiel weiter bis zum Fall des Kommunismus und damit zusammenhängenden Untergang des Sozialistischen Jugend-Verband. Nach der Samtenen Revolution erwarb die Lok die Gesellschaft LOKO-MOTIV und sie wurde unser wertvollstes Exponat.
Historische Ecke
Die Lokomotive 414.407 erlebte wirklich viel. Beide Weltkriege, auch die Österreichisch-Ungarische Monarchie. Sie wurde nur 92 Jahre danach hergestellt, wann Richard Trevithick die welterste Dampflok baute. Um sich vorzustellen, wie alt die Lok ist, führen wir eine kleine historische Ecke an.
Im Jahr 1896, als die Lok hergestellt wurde, war das Gebiet von Tschechien ein Bestandteil Österreich-Ungarns. Auf dem Thron saß der Kaiser Franz Joseph I., der 66 Jahre alt war. An der Karls-Universität (damals Tschechische Karl-Ferdinands-Universität) in Prag wirkte 46-jährige Professor Tomáš Garrigue Masaryk. Er ahnte offenbar noch nicht, dass er 22 Jahre später der erste Präsident der Tschechoslowakischen Republik wird.
In Moskau wurde gerade der Zar Nikolaus II. gekrönt und in Karlsbad wurde eine neue Erfindung vorgestellt - der Kinematograph, der Vorläufer der Filmprojektoren. Prager Nationaltheater feierte 15. Jubiläum seit seinem ersten Eröffnung und der Schriftsteller Karel Čapek feierte seinen 6. Geburtstag.
Französischer Baron Pierre de Coubertin organisierte in Athen die ersten neuzeitlichen olympischen Spiele. Die Fußballmannschaft Slavia Prag spielte ihr erstes Spiel, vier Tage später fand das erste Derby der Prager "S" statt (Slavia gegen Sparta). Eishockey war bei uns ganz am Anfang, auf der zugefrorenen Moldau tummelten sich damals die ersten Eishockeyspieler, noch mit Bälle statt Scheiben.
Flugzeuge existierten damals noch nicht, der erste Flug der Brüder Wright verlief erst 1903. Noch niemand war auf dem Nordpol oder dem Südpol, das wurde erst 1909, bzw. 1911 geschafft.
Im Jahr 1965, als die Lok ausgemustert wurde, saß auf dem Prager Burg schon der 6. tschechoslowakische Präsident Antonín Novotný. Die III. Spartakiade fand statt, das Tschechoslowakische Fernsehen sandte den ersten Večerníček (Abendmärchen für Kinder) und in Geschäften konnte man neu Aluminiumfolie kaufen. Der sowjetische Kosmonaut Alexej Leonov betrat den freien Weltraum als der welterste Mensch.
Gegenwärtiger Zustand
Die Dampflokomotive 414.407 ist unser wertvollstes Exponat, derzeit jedoch nicht betriebsfähig. Das Ziel des Vereins ist, die Maschine wieder in Betrieb zu nehmen. Das meint, sie zu zerlegen, alle Bestandteile zu renovieren (bzw. neuen herstellen) und alles wieder zusammenzusetzen. Solches Prozess ist sowohl sehr zeitaufwendig, als auch sehr kostspielig. Wir wollen nicht mit einem heißen Kopf etwas zerlegen und dann feststellen, dass es nicht einfach ist, es wieder zusammenzusetzen. Wir möchten die Reparatur systematisch und ordentlich ausführen. Das jedoch beansprucht, wie schon geschrieben wurde, eine Menge Finanzmittel, die wir derzeit leider nicht haben.
Wir hoffen, dass wir es einmal schaffen, die Finanzen zu gewinnen, die für Reparatur dieser Zeitzeugin beider Weltkriege, die hergestellt wurde, als Kaiser Franz Joseph I. 66 Jahre alt war, notwendig sind. Die abschätzte Kosten sind Zirka 15 Millionen Kronen (600 Tausend Euro). Als diese 127-jährige Oma wieder auf eigener Kraft losfährt, wird sie wahrscheinlich die zweitälteste betriebsfähige Lok Tschechiens.
Kennzeichnungentwicklung
StEG | Vg 1263 | 1896 – 1897 |
StEG | 4407 | 1897 – 1909 |
kkStB | 175.07 | 1909 – 1918 |
BBÖ | 175.07 | 1918 – 1922 |
ČSD | 175.07 | 1922 – 1925 |
ČSD | 414.407 | 1925 – 1939 |
BMB/ČMD | 414.407 | 1939 – 1945 |
ČSD | 414.407 | 1945 – heute |
Fabriknummer | 2531/96 |
Kennzeichnung des Tenders (kkStB) | 38.13 |
Kennzeichnung des Tenders (ČSD) | 312.109 |
Erklärungen:
- StEG = k. k. priv. österreichische Staatseisenbahn-Gesellschaft
- kkStB = kaiserlich-königliche Staatsbahnen
- BBÖ = Bundesbahnen Österreich (früher in diesem Zeitraum DÖStB und ÖStB)
- BMB/ČMD = Böhmisch-Mährische Bahn - Českomoravské dráhy
- ČSD = Československé státní dráhy (Tschechoslowakische Staatsbahnen)
Technische Daten
Baujahr | 1896 |
Hersteller | StEG Lokomotivfabrik (Wien) |
Höchstgeschwindigkeit | 35 km/h |
Dienstmasse | 55,1 t |
Länge über Puffer | 9720 mm |
Achsformel | D m2 |
Steuerung | Gooch |
Leistung | 456 kW (650 PS) |
Treibraddurchmesser | 1190 mm |
Kesselüberdrück | 12 bar |
Anzahl der Zylinder | 2 |
Durchmesser der Zylinder | 480 mm |
Kolbenhub | 630 mm |
Tender-Leermasse | 13,1 t |
Tender-Dienstmasse | 31,9 t |
Kohlenvorrat | 6,3 m3 |
Wasservorrat | 12 m3 |